SWR2 | Pantomime Interview Transkript
Pantomime verzichtet auf Worte, kann aber trotzdem sehr beredt sein.
Manchmal sogar laut!
Eine Begegnung mit dem in Stuttgart lebenden Pantomimen Pablo Zibes.
Gespräch & Interview – in die ARD Audiothek hören
oder:
Theater ohne Worte: Pantomime
Weltreise
Vor vielen Jahren stand Pablo Zibes auf einer Straßenkreuzung in Hong Kong. Viele, sehr viele Menschen liefen an ihm vorbei, aber Pablo Zibes blieb stehen. Das war ja schließlich sein Job. „Und es war total laut und voll mit Menschen, hin und her, und ich war total leise und langsam und dann sehe ich, die Leute fangen an sich hinzusetzen und mir zuzuschauen. Es war wie eine Oase in der Mitte des Chaos.“ Am Ende kam der Verkehr rund um die Kreuzung zum Erliegen. Ein großer Erfolg für Pablo Zibes damals Anfang der 1990er Jahre. Da war er gerade erst fertig mit der Schauspielschule.
„Ich komme aus Buenos Aires, aus Argentinien.“ Er war 21 Jahre alt und auf Weltreise, Europa, Asien, „richtig rumreisen, so mit Rucksack. Das war im Jahr 93, schon eine Weile her und damals habe ich gedacht: „Okay, die beste Form, die ich habe, um diese Reise zu finanzieren, ist, wenn ich auf der Straße als Pantomime arbeite. Ich bin einfach ins kalte Wasser gesprungen. Ja, aber es war eine Lehre, denn kein Mensch kommt auf die Straße, um mich zu sehen. Ich musste die Leute gewinnen und entweder lernst du das, oder du musst einen anderen Beruf ausüben.“
Körpersprache
Der Beruf von Pablo Zibes, das bedeutet, in stillstehenden Fußgängerzonen als Living Doll, als Freiheitsstatue oder als vergoldeter Anzugträger, das bedeutet zuschauen und die Körpersprache der Passanten lesen und vor allem nicht sprechen. Schweigen ist manchmal schwer auszuhalten. So schwer, dass ich bei unserem Video Interview erstmal komische Übersprungsgeräusche machte, dabei hatten wir vor dem Interview ausgemacht, unser Gespräch ohne Worte zu beginnen. Naja, also jetzt weiß ich: Körpersprache muss man auch erstmal verstehen lernen.
„Du hast jetzt gesagt, dass dein Herz fliegt und dann hab ich’s nicht mehr verstanden.“
„Wenn ich deine Frage verstanden habe… Deine Frage war, am Anfang: „Wie geht es dir?“ – „Mir geht’s gut.“ und dann „was machst du?“ oder „wie bist du zur Pantomime gekommen?“
Verdammt, diese Frage hatte ich mir natürlich aufgeschrieben. „Weil mein Herz eingeladen hat, in diesen Weg zu gehen.“ Für Pablo Zibes ist Pantomime die Übersetzung für alle Sprachen der Welt.
„Claro, sí. Mi sentimiento.“ Das klingt ganz schön kitschig, aber er hat doch einen Punkt. Denn damals auf seiner Weltreise, hat er außer Körpersprache eigentlich gar nichts verstanden. „Jeder, der im Ausland gelebt hat, war abhängig von dieser ganzen Körpersprache. Für mich war das schon extrem, denn ich war mit wenig Englisch als „typischer“ Südamerikaner unterwegs. Ich hatte auch die Augen immer offen, um zu verstehen, was läuft.“ Entsprechend laut macht Pablo Zibes seine Pantomime bis heute. Mit weißen Handschuhen, weiß geschminktem Gesicht, mit einfachen, einprägsamen Gesten.
Auf Youtube findet man seine Auftritte, bei denen die normale Körpersprache wie elektrisch verstärkt wirkt. Ohne Text, aber mit einem Lachen oder einer Traurigkeit, die man auch in einer Fußgängerzone oder auf einer übervollen Messe aus 20 Meter Entfernung versteht. Wobei das mit der Körpersprache auch daneben gehen kann, wie in China, zum Beispiel, haben die Mitmach-Nummern nicht funktioniert: Keiner wollte lange stehen bleiben.
Aber auch in Deutschland ist es nicht immer einfach. „Wenn ich hier jemandem den Vogel zeige, heißt das in Argentinien „du bist intelligent, du hast etwas drin!“, dann ist das ein Problemchen in Deutschland, wenn ich so sagen will „Hey, du bist intelligent!“.
Und intelligent ist ja irgendwie auch, wenn man es schafft, Dinge anders zu betrachten als bisher. Und so beteiligt sich der schweigende Pantomime auf seine Art in einer Kampagne für die Kunst.
Ohne Kunst und Kultur wird‘s still. So heißt eine Initiative, die sich für Künstler in der Pandemie einsetzt.
„Und Ich habe immer gedacht: Wie wäre es still, denn normalerweise bin ich still. Und jetzt bin ich laut, weil ich nicht arbeiten gehen kann.“ Weil Pantomime mit Maske einfach keinen Sinn macht. „Und dann habe ich gedacht, ok, ich gehe einfach auf ein paar Bühnen, die geschlossen sind, hier in Stuttgart. Und zusammen mit einer Fotografin bin ich hingegangen und wir haben Fotos gemacht, auf denen ich als Pantomime auf der Bühne rumschreie.“
Lautlos, natürlich, aber expressiv. Die Bilder zeigen Pablo Zibes in leeren Kinosälen, auf leeren Bühnen, wie immer weiß geschminkt, mit weit aufgerissenem Mund. Und tatsächlich meint man, ihn laut zu hören. Seinen stummen Schrei in die Stille.